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Senioren Magazin Hamburg, Ausgabe Oktober 2012

13 Hummelsbüttel hatte sich in den ersten Jahren nach dem 1. Weltkrieg nur wenig verändert. Es gab etwa 1.000 Einwohner. Ein kleines idyllisches Dorf, wo jeder jeden kannte. Einige Bauern hatten Land an Schrebergarten-Vereine verkauft oder verpachtet, dadurch gab es in den Sommermonaten einige Be- wohner mehr. Mein Großvater war als Gemeindediener im Dorf fast jedem bekannt. Er ärgerte sich sehr über den Unterschied zwischenArm und Reich. 1930 wurde ich mit 10 weiteren Kin- dern des Jahrgangs 1924 eingeschult. Mein Elternhaus war nur ca. 100 m von der Schule entfernt. Es gab nur 2 Klassenräume, die Lehrer mussten 3 Jahrgänge gleichzeitig oder auch in Vor- und Nachittagsschichten unterrichten. Mitschüler, die einen langen Heimweg hatten, prahlten mit ihren Erlebnissen und Streichen. Ich war nach wenigen Schritten im Elternhaus und hatte nur wenig Kontakt mit anderen Kindern. Feste im Dorf wurden meist privat von Gastwirten, Geschäftsleuten oderVer- einen organisiert. Sie fanden regen Zuspruch, auch bei Bewoh- nern der Nachbardörfer. Ab 1933, der Machtübernahme der Nazis, war das gute Mit- einander im Dorf gestört. Die Gemeinde wurde zu einer Orts- gruppe mit einem Ortsgruppenleiter und mehreren Obmännern. Nachbarn, die anderen politischen Parteien nahe standen, wur- den zwecks angeblicher Umschulung verhaftet. Presse und Rundfunk verbreiteten nur noch Nachrichten über die Erfolge der neuen Regierung. Jede Veranstaltung musste genehmigt werden und den politischenVorstellungen entsprechen. Uns Ju- gendlichen versprach man eine glückliche Zukunft in einem großdeutschen Reich. Für uns gab es die Organisationen Jung- volk und Hitlerjugend. Unsere Erziehung oblag jetzt nicht nur den Eltern und Lehrern, sondern auch der Partei. Geführt wur- den wir in kleinen Gruppen von 3 bis 4 Älteren, meist Ober- schülern, die sich sehr wichtig vorkamen. Die Konflikte zwischen Eltern und Kindern wurden größer. Das Geld für unsere einheitliche Kleidung mussten die Eltern aufbringen. Für Hilfe in Garten und Haushalt hatten wir weni- ger Zeit. Die politisch unterschiedlichen Meinungen zwischen Jung und Alt vergifteten das Klima. Als zu Ostern 1936 ein Zeltlager geplant war, verbot mir mein Vater die Teilnahme. Er sorgte sich um meine Gesundheit. Im Krieg hatte er sich ein Rheumaleiden und mehrereVerwundun- gen zugezogen. Mein damaliger Scharführer sagte „Ich werde mal mit deinem Alten reden“. Er begleitete mich nach Hause. Wir trafen meinen Vater im Stall an, es kam zu einem heftigen Wortwechsel, der erst endete, als mein Vater mit einer Mist- forke drohte. Mein Anführer meldete den Vorfall zum Glück nicht weiter, er hatte andere Sorgen, das Zeltlager musste schon kurz nach dem Aufbau wegen kaltem Regenwetter und über- schwemmter Wiese aufgegeben werden. Bei unserenTreffen und Heimabenden sollten wir Jugendlichen zu hörigen Bürgern erzogen werden. Die geschichtlichen Er- eignisse der letzten 200 Jahre wurden entsprechend verstellt dargestellt.Wir sollten die Garanten für ein großes Deutschland und eine freie, friedliche Welt sein. Ich zweifelte, in meiner Fa- milie und im weiteren Umfeld gab es immer wieder Mahner, die sagten, der Größenwahn Hitlers kann nicht gut gehen. Trotzdem war ich dabei, wenn unsere Gruppe durchs Dorf mar- schierte und sang „Heute gehört uns Deutschland und morgen die ganze Welt.“ Ab 1939 begann meine Lehrzeit. Die Lehrstelle war in Ham- burg, die Fahrt dorthin und zurück dauerte jeweils 2 Stunden, für die Hitlerjugend blieb keine Zeit. Die Hoffnungen, die der Machtwechsel 1933 gemacht hatte, endeten mit Krieg, zerstörten Städten und für mich mit langer Gefangenschaft in Russland. Herbert Mansberg, Hamburg gLeser schreiben Geschichte Erinnerungen an meine Jugendzeit Schreiben auch Sie uns Ihre Geschichte!

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